doping im spitzensport: strafrecht ja oder nein?

In regelmäßigen Abständen werden Spitzensportler des Dopings überführt. Dabei sind so gut wie alle Sportarten betroffen. Um Doping besser zu bekämpfen, mehren sich seit Jahren die Stimmen, die Dopingsünder als Straftäter verurteilen wollen. Deutschland sieht aber keinen Handlungsbedarf und überlässt die Bestrafung nach wie vor den Verbänden. Muss der Staat umdenken?

Wenn Sportler des Dopings überführt werden, wundert man sich oft über deren Erklärungen. Eines der bekanntesten Beispiele ist Dieter Baumann, der 1999 überhöhte Nandrolon-Werte in seinem Körper auf seine Zahnpasta zurückführte. Angeblich hätten ihm unbekannte Täter das verbotene Dopingmittel in die Tube gefüllt. Er wurde für 2 Jahre vom Leichtathletik-Weltverband IAAF gesperrt. Ähnlich erging es Jan Ullrich, der 2002 positiv auf Amphetamine getestet wurde und anschließend behauptete, dass ihm ein Unbekannter in der Disco zwei Amphetamin-Pillen angeboten haben soll. Er konnte angeblich nicht schnell genug ablehnen. Auch er wurde gesperrt. Sportler, die in Deutschland betrügen, werden zwar von ihren Verbänden bestraft, aber strafrechtlich nicht verfolgt. Anders sieht es in Spanien, Frankreich und Italien aus. In diesen Ländern gilt Doping als Straftat und wird vom Staat mit hoheitlichen Maßnahmen verfolgt. So können in Italien Dopingvergehen von Sportlern mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren geahndet werden. Die Frage, ob Dopingbekämpfung bei nichtstaatlichen Veranstaltungen eine Staatsaufgabe sein sollte, ist in Deutschland dagegen stark umstritten.

Die Schwierigkeit der deutschen Verbandsautonomie

In Deutschland wehrt man sich nach wie vor erfolgreich gegen die strafrechtliche Dopingverfolgung, vor allem weil Sport-Funktionäre die bestehende Verbandsautonomie durch den Staat bedroht sehen. Das Problem ist die Verflechtung von Politik und Sport. Viele deutsche Politiker sind oftmals Schirmherren bei sportlichen Veranstaltungen oder verbandspolitisch im Sport tätig. Gleichzeitig sitzen sie aber in Bundes- oder Landtagen im Innen- oder Sportausschuss. Italien zeigt, welche Probleme damit verbunden sind. Obwohl hier Haftstrafen von bis zu drei Jahren möglich sind, wurde bisher noch kein Sportler wegen Dopings strafrechtlich verurteilt. Ein Interessenkonflikt ist also auch hier nicht vollständig auszuräumen. 2007 erließ die Bundesregierung ein Anti-Doping-Gesetz, das zwar den Besitz und Vertrieb von Doping-Mitteln verbietet, aber nicht die Einnahme. Das heißt, dass nur Personen bestraft werden können, die Handel mit Dopingmitteln betreiben. Ein Sportler würde demnach nur verurteilt werden, wenn er größere Mengen an Doping-Mitteln besitzt. Die CDU begründete diesen Schritt damit, dass das Strafrecht nicht dazu da sei, Sponsoren, Zuschauer oder sportliche Konkurrenz vor moralischer Enttäuschung zu bewahren. Zudem würde es sich streng genommen um eine Art Selbstschädigung handeln, die man rechtlich nicht verurteilen kann. Tatsächlich ist diese Ansicht aber nicht weitreichend genug.

In Bezug auf dopende Sportler könnte man sagen, dass die Strafen der jeweiligen Verbände, also Startsperren, Aberkennung von Titeln und Preisgeldern die Karriere bedrohen oder mitunter beenden. Das wäre vermutlich für den Sportler bereits Strafe genug. Dies setzt aber voraus, dass die Verbände diese Strafen auch konsequent umsetzen. Oftmals scheint das nicht der Fall zu sein. Sportler und Verband verfolgen häufig die gleichen Interessen. Darüber hinaus ist ein Verband abhängig von seinen Sportlern, insbesondere von sehr erfolgreichen, die Aufmerksamkeit und Sponsorengelder generieren. Daher befinden sich Verbände in einer Zwickmühle. Einerseits müssen sie glaubhaft versichern, dass eine aktive Anti-Doping-Politik betrieben wird, andererseits aber droht dadurch der Verlust von Sponsoren und Werbegeldern, die man gerne halten möchte. Hier wäre der staatliche Eingriff ein mögliches Mittel, um die Dopingbekämpfung frei von anderen Interessen konsequent und in einheitlicher Weise durchführen zu können. Den Sportlern würden mit einer Strafverfolgung wegen Dopings Grenzen gesetzt, die von den Sportverbänden in dieser Klarheit und Härte nie definiert werden könnten.

Was muss geschützt werden?

Allgemein gilt, dass der Leistungssport bzw. Spitzensport in Deutschland und weltweit ein Rechtsgut ist, das Allgemeininteressen bedient und deshalb auch geschützt werden muss. Durch Doping wird die Wahrnehmung von Sport verzerrt, denn mit Sport werden generell bestimmte Wertvorstellungen, etwa die der Fairness, des sportlichen Wettkampfs und der einwandfreien Moral verbunden. Diese Wertvorstellungen werden im Spitzensport an die Zuschauer vor Ort und oftmals auch über die Massenmedien an die allgemeinen Sportinteressierten weltweit weitergegeben. Der Sportler genießt durch seine Leistung ein hohes Ansehen und hat damit eine große Vorbildfunktion inne. Daher rückt auch die Lebensweise eines erfolgreichen Sportlers in die Mitte der Gesellschaft und wird oftmals imitiert. Diese Vorbildfunktion kann auch zu einem besseren gesellschaftlichen Miteinander führen. Man erinnere sich nur an die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, bei der die Medien eine neue Form des nationalen Bewusstseins ausmachten.

Wenn ein Spitzensportler aber dopt, vermittelt er falsche Wertvorstellungen und darf niemals ein Vorbild für andere sein. Sonst würde der Eindruck vermittelt, dass manipuliert werden muss, um seine Ziele erreichen zu können. Folglich könnten mit einer strafrechtlichen Dopingverfolgung die Wertvorstellungen des Sports eine rechtliche Verankerung erhalten.

Nicht zuletzt sind die wirtschaftlichen Auswirkungen des Dopings zu nennen. Profisport bewegt viel Geld und die Einnahme von Doping kann deshalb durchaus als Wettbewerbsverzerrung angesehen werden. Der Sportler kann sich so unrechtmäßig an Preisgeldern und damit verbundenen Sponsorengeldern bereichern, die eigentlich rechtmäßig einem mit fairen Mitteln agierenden Sportler zustehen würden. Damit schafft sich dann auch seine Mannschaft, sein Verein oder sogar der Verband deutliche Vorteile. Demnach werden sowohl das Prinzip des fairen als auch des finanziellen Wettbewerbs zu oft mit Doping verletzt. Auch deshalb wären rechtliche Regelungen sinnvoll, damit es zu einer Bestrafung von Doping kommt. Dabei muss aber auch immer eine Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Wissenschaftliche Untersuchungen wiesen bereits vielfach darauf hin, dass die Bestrafung von Doping nicht mehr als den Tatbestand der Täuschung oder des Betrugs aufweisen darf.

Fairness konsequent schützen! Aber nicht um jeden Preis

Der Profisport als gesellschaftliches Ereignis wird durch Fairness definiert. Wenn diese durch Doping unterwandert wird, hat das wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen für den Sport. Als bestes Beispiel dient hier der Radrennsport, der in Deutschland durch Dopingaffären mit einem starken Imageverlust zu kämpfen hat. Die Nutzung von Doping ist Betrug am Sport, an den Konkurrenten, an den Zuschauern und an den Sponsoren. Um den effektiven Schutz davor zu gewährleisten, wäre das Strafrecht zwar ein geeignetes Mittel. Letztlich bleibt aber die Frage bestehen, ob die Einführung des Strafrechts in Dopingfällen wirklich die einzige Möglichkeit einer effektiveren Dopingbekämpfung ist. Denn streng genommen bekämpft man damit nicht die Ursachen, sondern nur die Auswirkungen. Außerdem würde eine strafrechtliche Verfolgung andere erhebliche Probleme mit sich bringen. Der Fall um Claudia Pechstein ist ein Negativbeispiel. Die deutsche Eisschnellläuferin wurde aufgrund erhöhter Blutwerte und damit lediglich wegen des Dopingverdachts für alle internationalen und nationalen Wettkämpfe gesperrt. Ihr konnte bisher kein direktes Dopingvergehen nachgewiesen werden. In diesem Fall wäre eine strafrechtliche Verfolgung nur schwer einzuleiten. Schließlich gab es nicht den endgültigen Dopingbeweis, auch wenn Ärzte bestätigt haben, dass die Blutwerte nicht auf natürliche Weise zustande kommen konnten.

Sollte es in Deutschland wirklich eine strafrechtliche Verfolgung für Doping-Sünder geben, so müsste die Schuld des Sportlers eindeutig geklärt sein. Italien und andere Länder Europas zeigen, dass dies nur schwer umsetzbar ist. Die deutsche Politik steht somit weiterhin in der Pflicht, verstärkt über die physischen und psychischen Gefahren des Dopings aufzuklären. Gelänge eine erfolgreiche Prävention, würden strafrechtliche Maßnahmen gar nicht erst nötig sein. Auf lange Sicht, scheint dies allerdings utopisch.

Frederic Hüttenhoff

studiert den Masterstudiengang Politikmanagement an der NRW School of Governance. Zuvor absolvierte er den B.A. in Sozial-, Medien- und Kommunikationswissenschaften an der HHU Düsseldorf. Zurzeit ist er als wiss. Hilfskraft am Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen tätig. Weitere praktische Erfahrungen sammelte er in den Bereichen der Unternehmenskommunikation und Public Affairs.