the one-man show: populismus in der neuauflage

Das Parlament ist ihre Bühne, die politische Realität ihr Schauspiel – charismatische Führungspersonen haben Engagements in beinahe allen Ländern Europas. In den Niederlanden findet sich ein ganz besonderes Exemplar der populistischen Elite: Geert Wilders, Kopf der islamkritischen Partij voor de Vrijheit (PVV) und ihr einziges Mitglied. Eine one-man party im wahrsten Sinne des Wortes…

von Karina Hohl

Es liegt vermutlich in der Natur des Menschen. Der Mensch ist ein Rudeltier und wo Rudeltiere sind, gibt es auch Leitwölfe. Und wenn wir mal ehrlich sind: Wir lieben diese Typen. Bei der speziellen Spezies des politischen Leitwolfes gelten dieselben Regeln: Menschen sehnen sich – gerade in unsicheren Zeiten von Finanzkrise und Postnationalismus – nach Politikern, die sagen, wo es langgeht. Der über ganz Europa hallende Ruf nach Sicherheit und Stabilität wurde erhört. Populistische Parteien haben das Repräsentationsdefizit der etablierten Parteien als Gelegenheitsfenster genutzt und sind in vielen Ländern Europas mit ihrer one-man show auf der politischen Bühne angekommen. Charismatische Anführer sind serienmäßig bei populistischen Parteien zu finden: Ob Silvio Berlusconi und Jean Marie Le Pen mit ihren Stammbesetzungen, oder Ronald Schill mit seinem populistischen Gastspiel. Von der Kurzversion bis zur Endlosschleife ist alles dabei.

 

Zufall oder Zwangsheirat?

Populismus und one-man parties – herrscht hier eine zufällige Verbindung oder eine notwendige Zwangsheirat? Viel spricht für die Behauptung, Populismus funktioniere nicht ohne den Führungsmythos. Der Blick in die Geschichte birgt eine Tendenz: Oftmals finden sich in one-man parties populistische Elemente – und auch umgekehrt. Der starke, kämpferische Leitwolf ist ein wichtiges Markenzeichen von populistischen Parteien. Er gibt der Partei sein Gesicht und ist das wichtigste Mitglied. Populistische Parteien leben von diesem one man, er ist ihr Aushängeschild. Auch der politische Leitwolf profitiert von der Partei, denn sie bietet die Plattform zur Selbstdarstellung. Wo Populismus spricht, dort spricht the one für das Volk. Diese elementare Nähe zum Volk kann nur durch den charismatischen Populisten hergestellt werden. Er berührt unsere Ängste, er teilt unsere Gefühle, er ist einer von uns. Für den Populisten ist die one-man party eine reine Zwangsheirat, auch wenn dies nicht im Umkehrschluss gelten muss. Was aus Populismus wird, wenn man die party einfach weg lässt und nur noch den one man auf die Bühne schickt, ist gegenwärtig in den Niederlanden zu beobachten.

 

Es war einmal ein einsamer Mann…

Holländer, blondiert, indonesische Wurzeln: Geert Wilders bewegt derzeit nicht nur die Gemüter unserer niederländischen Freunde, sondern ist in ganz Europa für seine islamkritische Politik bekannt. Diese Politik fabriziert er in seiner Partej voor de Vrijheit. Bekanntlich verderben viele Köche den Brei, daher kocht in dieser Partei der Chef noch selbst: Wilders ist einziges Mitglied – ein Zustand, der in deutschen Parteien nicht möglich ist. Die bei den Parlamentswahlen errungenen 24 Sitze werden neben dem Küchenmeister selbst von Personen besetzt, die auf seiner Parteiliste kandidieren können, jedoch nicht der Partei zugehören. Die PVV stellt derzeit im niederländischen Parlament die drittstärkste Fraktion und hat durch die Tolerierung der liberal-christlichen Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Rutte erheblichen Einfluss auf das Regierungshandeln. Wilders hält die Fäden in der Hand, muss mit niemandem Rücksprache halten und leitet eine neue Ära der Parteiendemokratie ein: Die Partei ohne Mitglieder. Geert Wilders bietet nicht nur einen Remix der one-man party, sondern auch eine Neuauflage von Populismus. In Europa gilt der aus Niederländisch Ostindien – dem heutigen Indonesien – stammende Limburger als König der Rechtspopulisten. Dem muss widersprochen werden: Wilders lässt sich nicht in die europäische Liga der Populisten einreihen, er ist kein Populist à la Europa. Vielmehr sucht er seine politischen Vertrauten in den USA und in Israel. Seine klare Abgrenzung zu antisemitischem Gedankengut ist sein Erfolgsrezept: Der Islamkritiker macht durch diese klare Distanzierung zu Nazis und Faschisten Populismus für die Niederländer wählbar. Hier liegt eine wesentliche Ursache zu dem ausbleibenden Erfolg deutscher Rechtspopulisten. Die wenigsten Parteien schaffen es, sich eindeutig von der deutschen Nazivergangenheit und von rechten Gruppierungen zu distanzieren – die Schill-Partei in Hamburg stellte in ihrer kurzen Schaffenszeit eine Ausnahme dar. Anders als Ronald Schill konnte Wilders auf erste populistische Erfahrungen in den Niederlanden bauen, das Land war populistisch vorgewärmt. Die Niederländer haben durch die Erscheinung Pim Fortuyns im Jahr 2002 bereits populistische Luft schnuppern können. Dennoch ist klar: Nicht Fortuyn, sondern Wilders hat den Populismus in den Niederlanden salonfähig gemacht.

 

Populismus ist kein Ponyhof!

Geert Wilders verkörpert eine neue Ära der one-man party und zugleich eine neue Ära des Populismus. Eines ist klar: Wilders ist ein erfolgreicher Einzelkämpfer. Dies macht ihn jedoch nicht weniger gefährlich – im Gegenteil. Geert Wilders hat sich in der Personalunion seiner selbst und der Partei zum König der Populisten gekrönt. Seine eigene Instrumentalisierung zu einer Partei macht ihn flexibel. Seine Forderungen sind islamfeindlich und menschenverachtenden Charakters: So will er beispielsweise eine Steuer auf Kopftücher einführen, die „kopvoddentaks“ – wörtlich übersetzt „Kopflumpensteuer“. Diese Forderung spricht für sich. Eines ist klar: Wilders weiße Weste im Bezug auf Antisemitismus legitimiert nicht, eine neue Ära der Islamfeindschaft einzuläuten. Populismus, egal ob links, rechts, extrem, soft, laut, leise, psychisch oder physisch, ist kein Ponyhof, sondern eine Form des kollektiven Egoismus, die immer früher oder später an eine unantastbare Grenze stößt – die Menschenwürde.

 

Karina Hohl

 

studierte an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf Sozialwissenschaften und ist seit 2009 Studentin an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen. Praktische Erfahrungen sammelte sie unter anderem im Landtag sowie in der Landeszentrale für Politische Bildung NRW. Während ihres Studiums hat sie sich auf Migrations- und Integrationspolitik spezialisiert.