Die Auswirkungen des Klimawandels auf die deutsche Parteienlandschaft

Der vergangene Sommer war heiß. In einigen nordrhein-westfälischen Großstädten hat es Temperaturen von über 42°C gegeben. Politisch relevant war dieser Sommer auch, weil sich immer mehr Menschen in Deutschland Sorgen über ein weiteres Ansteigen der Temperaturen machen. Diese Sorgen sind berechtigt. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 wird es immer wärmer. Allein zehn der wärmsten Jahre überhaupt haben im 21. Jhdt. stattgefunden. Die Folgen für Mensch und Umwelt sind katastrophal. Aus diesem Grund gehen weltweit Menschen auf die Straße, um für einen strikteren Klimaschutz zu protestieren. Dieser neue von Schülerinnen und Schülern getragene Klima-Aktivismus hat in den letzten beiden Jahren rasant an Einfluss gewonnen. Weltweit demonstrierten im September dieses Jahres über eine Millionen Menschen weltweit, in Deutschland weit mehr als 300.000.

Klimaschutz ist in Deutschland also ein äußerst brisantes Thema. Davon betroffen sind natürlich auch die politischen Parteien, die jeweils unterschiedlich versuchen auf das Thema zu reagieren.

In erster Linie profitiert die Partei Bündnis90/Die Grünen von der aktuellen Klimafrage. Seit ihrer Gründung hat sie sich immer für Umwelt- und Naturschutz eingesetzt und sich vehement für den Ausbau erneuerbarer Energien ausgesprochen. So drängen die Grünen auf strengere Kontrollen bei CO2-Emissionen. Zu diesem Zweck befürworten sie eine hohe CO2 Steuer, die langfristig Verbrennungsmotoren und Kerosin als Treibstoff verteuern soll. Der Gedanke dahinter ist, dass dann die Verbraucher ihren Konsum aus wirtschaftlichen Erwägungen reduzieren und so der CO2-Ausstoß Deutschlands gesenkt wird. Durch die zunehmende Bedeutung des Themas schaffen es die Grünen sich politisch in den Vordergrund zu stellen. Sie sprechen mit ihren Forderungen eine zunehmende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern an, die sich ein stärkeres staatliches Eingreifen zugunsten des Weltklimas erhoffen. Die Stärke der Grünen bei Wahlen und in Umfragen im Verlauf des letzten Jahres, die bei deutlich über 20 Prozent gelegen haben, lässt sich allerdings nicht nur auf dieses Thema reduzieren. So hat am aktuellen Erfolg der Grünen auch die schwere Krise, in der sich die einstige Volkspartei SPD befindet, einen nicht unerheblichen Anteil. Insgesamt wächst mit jeder gewonnen Wahl auf Landesebene der Einfluss der Grünen, die mittlerweile in 10 von 16 Bundesländern in der Regierung vertreten sind und in Baden-Württemberg bereits seit 2011 den Ministerpräsidenten stellen. Die Positionen der Grünen werden damit insbesondere im Bundesrat nicht mehr überhörbar.

Gegensätzlich zu den klimapolitischen Vorstellungen der Grünen liegen jene der AfD. Grundkonsens dieser Partei ist es, dass der Klimawandel und die Erderwärmung nicht stark mit menschlichem Handeln in Verbindung stehen. Aus diesem Grund lehnt die Partei schon jedwede Diskussion über Klimaschutzmaßnahmen ab. Da die Partei ohnehin dabei ist, so gut wie alle Erkenntnisse der modernen Klimaforschung zu leugnen, fordert sie dann auch konsequenter Weise die Abschaffung bestehender Klimaschutzregelungen, einen Rückbau erneuerbarer Energien und eine Wiederinbetriebnahme abgeschalteter Kern- und Kohlekraftwerke. Kritikerinnen und Kritiker dieses Kurses werden von Mitgliedern und Sympathisanten der AfD im für die Partei üblichen Jargon angegangen. Besonders im Fokus solcher Kampagnen stehen Aktivistinnen und Aktivisten der Klimaschutzbewegung. Insgesamt lässt sich die Behauptung wagen, dass die AfD versucht, sich von ihrem Status der Ein-Themen-Partei zu emanzipieren. Mit der schieren Masse ihrer Posts, Tweets und Aussagen gegen die Klimadebatte macht sie klar, dass sie als Gegenpart zu den Grünen wahrgenommen werden will und Auffangbecken für all diejenigen sein möchte, denen Klimaschutzmaßnahmen suspekt oder zu weitreichend sind. Dieses Kalkül scheint aufzugehen. Die Partei liegt in bundesweiten Umfragen derzeit bei über 14 Prozent und hat in den vergangenen Monaten hohe Landtagswahlergebnisse erzielt.

Ambivalenter als die Stellungen von AfD und Grünen ist jene der Freien Demokraten. Zum einen erkennt die FDP den menschengemachten Klimawandel an und bekennt sich zu Lösungsansätzen, zum anderen will die Partei in jedem Fall eine finanzielle Belastung der Wirtschaft vermeiden. Aus diesem Grund ist die FDP nicht für Strafmaßnahmen und höhere Steuern, sondern für das, was sie unter dem Label “Innovation” zusammenfasst. So sollen mit staatlichen Investitionen und Subventionen vermehrt klimafreundliche Energiealternativen erforscht und verbreitet werden. Die Beziehungen zwischen der Partei und der Klimabewegung sind auf Grund der verschiedenen Lösungsstrategien nicht besonders gut. Dieser unsichere Kurs aus Anerkennung des Klimawandels und gleichzeitiger Handlungsscheue dürfte der Partei vermutlich wenig einbringen. In der öffentlichen Debatte über die Klimakrise kommt die FDP nicht so stark zu Wort, allerdings ist der Klimaschutz auch kein Kernthema ihrer Stammwählerschaft.

Die Partei Die Linke verbindet währenddessen die Klimadebatte mit ihren angestammten sozialen Positionen. So brachten Funktionäre der Partei im Zuge der aktuellen Debatte die Forderung ein, deutsche Energieunternehmen und Fluggesellschaften zu verstaatlichen. Solche sozialistischen Statements sind innerhalb der aktuellen Klimadebatte allerdings eine Underdog-Position. Ob sie damit neue Wählerinnen und Wähler außerhalb ihrer sozialistisch eingestellten Klientel erreichen kann, ist fragwürdig. Darüber hinaus sind auch ihren Stammwählern Themen wie Arbeit, Steuern und Sozialpolitik in der Vergangenheit wichtiger gewesen als Klimaschutz, ein Themenfeld, in dem der Linken nur wenig Kompetenzen eingeräumt wird.

Einem besonders starken Erwartungsdruck in der Klimadebatte sind die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD ausgesetzt. Wie bei vielen anderen Themen innerhalb der Koalition sind sich die Partner allerdings auch in diesem Bereich nicht einig. So fordern die Sozialdemokraten eine höhere Besteuerung von CO2-Emissionen. Die Sozialdemokraten erhoffen sich damit ihr umweltpolitisches Profil gegenüber den Koalitionspartnern zu schärfen. Die Unionsparteien setzen dagegen lieber auf Klimazertifikate. Bei diesen können Unternehmen das Recht erwerben, CO2 zu produzieren. Der Vorteil eines solchen Emissionshandels liegt darin, dass die Preise von Heiz- und Kraftstoffen für den Verbraucher nicht so stark steigen wie bei einer neuen Besteuerung. Politikerinnen und Politiker der Unionsparteien bringen darüber hinaus häufiger Argumente an, nach denen die Wirtschaft und damit der Standort Deutschland nicht weiter belastet werden sollte. Zusätzlich wollen alle Regierungspartner Innovationen zum Klimaschutz wie etwa saubere Energien und E-Mobilität verstärkt fördern.

Aus diesen Positionen hat die Regierung Ende September ihr Klimapaket zusammengestellt. Eine CO2-Besteuerung, wie sie sich die SPD gewünscht hat, ist darin nicht enthalten. Dafür werden aber Festpreise für CO2-Zertifikate festgesetzt. Von Kritikerinnen und Kritikern ist dieses Maßnahmenpaket bereits als nicht weitreichend genug eingeschätzt worden. Zurzeit sieht es nicht so aus, als würde die Klimapolitik der Regierung den Nerv der Bevölkerung treffen. Union und SPD stagnieren bei für sie sehr schlechten Wahl- und Umfrageergebnissen. Die SPD, die bei Landtagswahlen einen Negativrekord nach dem anderen aufstellt, kann mit ihrer Klimapolitik nicht überzeugen. Sie würde gerne progressiver auftreten, wird dabei aber immer wieder vom wirtschaftsfreundlichen Kurs der Union zurückgehalten.

Natürlich ist für den aktuellen Abstiegskurs der SPD und die Situation der anderen Parteien die Klimafrage nicht allein verantwortlich. Allerdings trägt sie zum Gesamtbild der Parteien bei. So ist die aktuelle Debatte über die Erderwärmung und eine angemessene Klimapolitik ein wichtiges Thema der deutschen Politik und beeinflusst die Parteienlandschaft stark. Insgesamt lässt sich von den wissenschaftlichen Fakten sagen, dass der Klimawandel eine große Herausforderung ist, die gesellschaftlich gelöst werden muss. Auch wenn die Parteien unterschiedlich mit diesem Problem umgehen, so erkennen sie es doch alle an – bis auf die AfD. Das ist auch notwendig, um geeignete Lösungsansätze zu verwirklichen und damit die Folgen des Klimawandels zumindest abzumildern. Die Wissenschaft ist sich seit Jahrzehnten der Gefahren des Klimawandels bewusst und hat vor ihnen gewarnt. Es ist nun an der Zeit zuzuhören und Lösungsstrategien zu entwickeln.

Ein Beitrag von Finn Wieschermann

Finn Tayfun Wieschermann befindet sich seit dem Wintersemester 2016/17 im Bachelorstudiengang Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Er hat bei Praktikern im nordrhein-westfälischen Landtag und im Bundestag Erfahrungen über die Arbeit im parlamentarischen Betrieb sammeln können.