Ein Bauchladen voller Themen – Stiftungsarbeit und was sie ausmacht

Von Bonn über Stuttgart nach Brüssel – Sarah Hepp, Projektassistentin und Referentin für Gleichstellung im Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brüssel erzählt, was es genau bedeutet in einer politischen Stiftung zu arbeiten. Welche Aufgaben fallen tagtäglich an und wie sieht die Arbeit auf EU-Ebene aus?

Wie kam es dazu, dass Sie hier bei der Friedrich-Ebert-Stiftung gelandet sind?

Sarah Hepp: Das war eine sehr bewusste Entscheidung. Ich habe in Bonn Romanistik und Politik studiert und war im Rahmen meiner Bachelorarbeit sehr oft in der Bibliothek der Stiftung. Neben dem Bezug zur Bibliothek, habe ich auch immer wieder Veranstaltungen der FES besucht, wenn mich etwas interessiert hat. Als für mich anstand, dass ich während des Studiums noch ein Praktikum mache, habe ich mich für die FES entschieden. So kam es dazu, dass ich ein Praktikum im Landesbüro Baden-Württemberg in Stuttgart gemacht habe. Während der Zeit dort ist mir dann aufgefallen, dass mir die Arbeit sehr viel Spaß macht, dass ich eigentlich ganz ungern wieder zurück an die Uni gehe und wenn es irgendwie die Möglichkeit geben würde, gerne wieder zurück in die Stiftungswelt kehren wollte.

Warum wollten Sie so gerne in dieser Welt bleiben? Was reizt Sie besonders an der Arbeit?

Hepp: Das Abwechslungsreiche. In einem Landesbüro gibt es unglaublich viele verschiedene Themen, die bearbeitet werden. Wir sprechen in der Stiftung auch oft von einem Bauchladen, den man führt und bestückt, weil wir versuchen, alle Themen abzudecken. Also thematisch abwechslungsreich, aber eben auch was die Formate anbelangt. Das ist ein Job, in dem man nicht die ganze Zeit im Büro sitzt, sondern immer Zeit unterwegs ist – das trifft sowohl auf das Landesbüro als auch auf das Auslandsbüro zu, in dem ich jetzt arbeite. Bezüglich der Stiftungsarbeit gibt es auch durch das sogenannte Rotationssystem viel Abwechslung.

Ist das Rotationssystem vorgeschrieben?

Hepp: Wenn man dauerhaft in die Stiftung reinmöchte, gibt es mittlerweile nur noch Rotationsverträge. Das heißt, dass man sich dazu bereit erklärt, sowohl im Inland als auch im Ausland zu arbeiten und dass man dann immer für eine bestimmte Zeit abgeordnet ist auf einer Stelle zu bleiben, aber auch flexibel sein muss, die Stelle auch in einem anderen Büro auszuüben.

Und wie genau sieht Ihre Ausbildung bei der FES aus?

Hepp: Ich bin der Stiftung als Projektassistentin angestellt. Meine Ausbildungszeit beträgt 24 Monate. In der ersten Phase war ich für sechs Monate in der Stiftungszentrale in Berlin, um mich auf die Stelle im Ausland vorzubereiten. Nach den sechs Monaten folgt jetzt eine 18-monatige Einsatzzeit in einem Team in einem Auslandsbüro – in meinem Fall in dem Büro hier in Brüssel. Hier habe ich die Möglichkeit, herauszufinden, was es bedeutet ein Büro zu leiten und schaue in alle Bereiche – neben meinem thematischen Schwerpunkt als Referentin – hinein. Dazu gehören dann Finanzen, Büroorganisation und Projektleitung.

Sie arbeiten im Gender Equality-Bereich in der FES Brüssel. Was bedeutet das? Wofür setzen Sie sich ein und was kann eine Stiftung überhaupt konkret für Gleichstellung machen?

Hepp: Generell muss man sagen, dass der Bereich Gleichstellung ein sehr langsamer, zäher Bereich ist. Das hat man zwar manchmal in anderen politischen Bereichen auch, aber wenn man sich daran erinnert, dass erst gerade 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert wurden, merkt man wie lang der Gleichstellungsprozess noch andauern wird. Deswegen kann das natürlich auch sehr frustrierend sein. Aber ich glaube, es gibt neben den Stiftungen ja auch noch sehr viele andere Akteure, die in dem Feld tätig sind – viele feministische Bewegungen und Bewegungen, die sich für Gleichheit einsetzen. Und wenn wir alle an einem Strang ziehen, können wir etwas bewegen. Dann geht auch etwas voran und das versuchen wir eben auf den Feldern, wo unsere Kompetenzen liegen und das liegt bei uns, bei der FES, darin ein sehr großes Büronetzwerk zu haben – auch gerade in meinem Bereich. Wir haben zum Beispiel dieses Jahr ein Projekt aufgesetzt, in das wir verschiedene EU-Länder mit einbeziehen wollen. Gemeinsam mit der European Foundation for Progressive Studies (FEPS) haben wir dabei einen Fokus auf die Care-Arbeit gelegt. Ungleich verteilte Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen sehen wir teilweise als Ursprung beziehungsweise als ein Problem ohne dessen Lösung Gleichstellung kaum erreicht werden kann. Das wollen wir an den Wurzeln angehen und Bewusstsein dafür schaffen, dass strukturelle Veränderungen vorgenommen werden müssen. Genau das soll über dieses Projekt erfolgen, indem wir mit anderen FES Büros und auch mit Partnern von FEPS die jeweils nationale Perspektive auf die Sorgearbeit beleuchten und schauen, wie die Situation vor Ort ist. Am Ende werden wir dann daraus Politikempfehlungen für die im März erschienene Gleichstellungsstrategie der Kommission, die eben nur zu einem gewissen Teil Maßnahmen zu Sorgearbeit vorsieht, ziehen.

Was wäre denn die optimale Wirkkraft, die man als Stiftung erzielen könnte? Wäre das die Aufnahme der Empfehlungen in die nächste Gleichstellungsstrategie?

Hepp: Das wäre sehr gut. Optimal wäre natürlich am Ende, wenn unsere Erkenntnisse in den sogenannten Annual Report, den Berichtsmechanismus der Kommission für ihre Strategien, aufgenommen werden. Am Ende des Jahres möchten wir Helena Dalli, der Kommissarin für Gleichstellung, unsere Ergebnisse aus den einzelnen Veranstaltungen in den Ländern präsentieren und daraus Politikempfehlungen ableiten und im besten Fall nimmt die Kommission das auf. Aber wir haben natürlich auch schon einiges damit erreicht, wenn wir es schaffen andere Organisationen davon zu überzeugen, dass es bestimmte Lücken gibt und dass diese dann mit uns gemeinsam weiterhin versuchen zu beeinflussen beziehungsweise beeinflussen klingt immer so schlecht – lobbyieren. Klingt irgendwie auch nicht besser (lacht).

Brüssel wird ja auch immer wieder als Beraterlandschaft mit viel zu offenen Ohren gesehen. Wo würden Sie Stiftungsarbeit da einordnen? Ist sie Lobbyarbeit, aber gute Lobbyarbeit?

Hepp: Stiftungen versuchen, als Vermittlerin entlang ihrer eigenen Werte ihre Arbeit zu gestalten und vor allem andere Gruppen zu unterstützen, die vielleicht nicht die Zugänge zu den EU-Institutionen haben, die wir haben. Das zeigt sich zum einen in unseren sogenannten Dialogprogrammen, wo wir versuchen, diese Kanäle bestimmten Gruppen zu eröffnen. Dann sind wir natürlich als deutsche politische Stiftung und als Stiftung mit Werten der sozialen Demokratie auch immer Vermittlerin nach Deutschland und in die deutsche Sozialdemokratie. Und ja, natürlich würde ich selber sagen, wir sind die Guten und machen keine Lobbyarbeit für bestimmte Produkte, aber wenn man es in diesem Bild sehen würde, dann ist unser Produkt die soziale Demokratie.

Alle SozialwissenschftlerInnen plagt ja irgendwie ein ähnliches Problem. Auf Familienfeiern weiß man nie so ganz genau, was man antworten soll, wenn gefragt wird, was man eigentlich macht. Wenn Sie gefragt werden, haben Sie eine griffige Antwort parat?

Hepp: (Lacht) Das kommt natürlich auch immer auf die Person in der Familie an, mit der ich spreche. Meistens sage ich, ich organisiere Veranstaltungen zu verschiedenen politischen Themen – bin quasi eine politische Eventmanagerin. Das erfasst das eigentliche Ziel nicht ganz, aber es beschreibt, was ich tagtäglich mache: Viele Texte und E-mails schreiben, mit Personen telefonieren, mich immer weiter bilden, up-to-date bleiben, Veranstaltungen mit verschiedenen Menschen organisieren und durchführen – sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene und in den Mitgliedsstaaten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Lina Wattad