Wer kann Kanzlerin? Die CDU und die K-Frage

Das Rennen um die Nachfolge Angela Merkels ist noch nicht entschieden: Nach zahlreichen Fehltritten und Wahlniederlagen wird die Kritik an der aktuellen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer immer lauter. Ihre Widersacherinnen, allen voran Friedrich Merz, zeigen immer deutlichere Ambitionen auf den Parteivorsitz und eine mögliche Kanzlerinnenkandidatur. Wird der nächste Parteitag der CDU also zu einer erneuten Feuerprobe für Annegret Kramp-Karrenbauer?

Annegret Kramp-Karrenbauer ist seit fast einem Jahr Vorsitzende der CDU. Bisher konnte sie in ihrem Amt nicht wirklich überzeugen. Ihre Gegnerinnen versuchen jede Schwäche auszunutzen – immer bereit zur Gegenoffensive. So vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über Angela Merkels Nachfolge diskutiert wird. Der anstehende CDU-Parteitag kann vor diesem Hintergrund mit Spannung erwartet werden. Wie ist die Ausgangssituation und mit welchen Kontrahentinnen muss sich AKK auseinandersetzen?

Beim Deutschlandtag der Jungen Union mündete die nicht enden wollende Kritik an Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrer Eignung als Kanzlerin in einen Urwahlantrag, der von den Delegierten angenommen wurde. Darin fordert die Nachwuchsorganisation Kanzlerkandidatinnen in Zukunft von den Mitgliedern zu wählen. Das war kein Beschluss für eine Urwahl: Es war ein Beschluss gegen AKK und für Friedrich Merz, den die Junge Union wie einen Popstar feierte.

In seiner Rede versprach er ihnen, er stünde bereit, sofern sie es wollten: tosender Applaus. Dies war ein erster Schritt weg von der vorgetäuschten Harmonie. Es war eine Kampfansage, die damit noch nicht beendet war: Nach dem CDU-Wahldesaster in Thüringen holte Merz zum nächsten Schlag gegen die Parteispitze aus: Der galt diesmal seiner alten Rivalin Angela Merkel. Merz kritisierte nicht nur Merkels Arbeit, sondern auch die der gesamten Regierung stark: „Das gesamte Erscheinungsbild der Bundesregierung ist einfach grottenschlecht. Und daran muss sich etwas ändern“, äußerte sich Merz gegenüber dem ZDF.

Wer kann Kanzlerin?

In der CDU geht der Machtkampf weiter. Die Kandidatinnen bringen sich in Stellung. Aber wer zählt zum Kreis der Kontrahentinnen um den Parteivorsitz und wie stehen ihre Chancen?

1. Annegret-Kramp-Karrenbauer

Da ist zunächst einmal die Amtsinhaberin: Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) kann auf eine lange politische Karriere in ihrer Heimat zurückblicken, bevor es sie auf die große Politikbühne nach Berlin zog. Sie bekleidete zahlreiche Ministerinnenposten und regierte bis 2018 das Saarland als Ministerpräsidentin. Bevor sie die Wahl zur Vorsitzenden der CDU-Deutschlands gewann, war sie bereits deren Generalsekretärin. Nach der Benennung Ursula von der Leyens zur neuen Kommissionspräsidentin übernahm AKK schließlich noch das Verteidigungsministerium, wodurch ihr nun regelmäßig Redezeit im Bundestag zusteht.

Legt man ausschließlich den Fokus auf die Ämter einer Kandidatin, so scheint Kramp-Karrenbauer die besten Chancen auf eine mögliche Kanzlerkandidatur haben. Zu ihrem Nachteil ist die Saarländerin sowohl in Deutschland als auch innerhalb der CDU ziemlich unbeliebt. Im aktuellen Politbarometer landet Kramp-Karrenbauer unter den beliebtesten 10 Politikerinnen mit einem Wert von -0,7 auf dem letzten Platz. Innerhalb der CDU/CSU-Anhänger trauen ihr darüber hinaus nur acht Prozent zu, im Zuge einer Kanzlerkandidatur ein gutes Bundestagswahlergebnis zu erzielen. Zum Vergleich: Friedrich Merz trauen 35 Prozent ein erfolgreiches Abschneiden vor dem Hintergrund einer Wahl zu. Hinzu kommt, dass AKK zu Beginn ihrer Vorsitzendenkarriere in zahlreiche Fettnäpfchen trat und ungewollt einige Medienskandale anzettelte.

Ob sie vor diesem Hintergrund immer noch Merkels Wunschnachfolgerin ist?

2. Friedrich Merz

Merz hat bereits eine Karriere in der Politik und jüngst in der Wirtschaft hinter sich. Der gebürtige Sauerländer gehörte bereits dem Europäischen Parlament und dem Deutschen Bundestag an, wo er Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war. Nachdem Angela Merkel 2002 nach der Bundestagswahl den Fraktionsvorsitz für sich beanspruchte und Merz 2004 seine Ämter niederlegte, nahm er in der Wirtschaft sämtliche Beratung- und Kontrolltätigkeiten an, saß in zahlreichen Aufsicht-  und Verwaltungsräten und ist seit diesem Jahr Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU, einer parteinahen Vereinigung.

Mit seiner Kandidatur um den Parteivorsitz der CDU macht Merz in der politischen Öffentlichkeit wieder vermehrt von sich reden und tritt bei zahlreichen lokalen und überregionalen Parteiveranstaltungen in ganz Deutschland auf.

Wird es erneut auf ein Duell zwischen der Saarländerin und dem Sauerländer hinauslaufen? Neben Merz sind noch weitere Männer für den Posten im Gespräch.

3. Jens Spahn

Trotz seiner Niederlage auf dem Parteitag im letzten Jahr gilt Spahn unter seinen Unterstützern immer noch als geeigneter Kandidat. Der Münsterländer überzeugte in der Vergangenheit mehrfach durch seine Arbeit im Ministerium, da er einer der wenigen Minister zu sein scheint, der es neben unionsinternen Diskussionen und Krisen schafft, am laufenden Band neue Gesetzesvorlagen zu liefern. Zudem gilt Spahn als Politiker der klaren Worte, zuletzt stellte er sich hinter Kanzlerin Merkel, verteidigte sie gegen Merz‘ Angriff, dabei war er immer einer ihrer Kritiker.

4. Armin Laschet

Das Kandidatinnenkarussell wird ergänzt durch Armin Laschet, den Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, Nordrhein-Westfalen, der dort eine schwarz-gelbe Regierung führt. Er schaffte es 2017 überraschend die SPD geführte Regierung unter Hannelore Kraft abzulösen und erfreut sich nun in CDU-Kreisen steigender Beliebtheit, da er sich ebenfalls nicht davor scheut, Kritik an der Parteispitze auszuüben.

5. Carsten Linnemann

Jemand, der ebenfalls für klare Aussagen, direkte Kritik an den Regierungsfrauen und eine meist konservative Linie steht, ist Vize-Fraktionschef Carsten Linnemann. Auch er wird von der Jungen Union gefeiert. Zudem ist der Ostwestfale Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung. Linnemanns Problem könnte zurzeit noch sein geringer Bekanntheitswert in der Bevölkerung sein, da seinen Namen trotz Auftritten in Talkshows und Politmagazinen nur wenige Bürgerinnen kennen.

6. Markus Söder

Aktuell machte schließlich Elmar Brok, ehemaliger Abgeordnete des Europäischen Parlaments, mit seiner Forderung eines CSU-Kanzlerkandidaten von sich reden. Obwohl Markus Söder sich immer noch mit falscher Bescheidenheit schmückt und verlauten lässt, das Amt des Ministerpräsidenten sei sein absoluter Lieblingsjob – eine Kandidatur als Kanzler würde in seinen Politikstil des „bavaria first“ und zu seinem herausgehobenen Ego passen. Darin steht er Friedrich Merz nämlich in nichts nach: Während der Machtspiele zwischen ihm und Horst Seehofer in der Vergangenheit zeigte sich bereits der Kampfgeist Söders, seine Beharrlichkeit und Neigung zu Kritik an der Führungsspitze. Auch wenn die CDU mit ihrer Schwesterpartei gerade einen Kuschelkurs fährt, ist davon auszugehen, dass diese Harmonie nicht ewig halten wird. Spätestens, wenn ein neuer Streit zwischen den beiden Schwesterparteien ausbricht, könnte sich Söder zu einer Kandidatur entschließen.

Showdown auf dem Bundesparteitag?

Am 22. und 23. Noevmber trifft sich die bundesdeutsche CDU-Elite auf dem jährlichen Parteitag – diesmal in Leipzig. Vor dem Hintergrund der neu entbrannten Personalfragen könnte es eine spannende Veranstaltung werden. Wenn es nach Carsten Linnemann gehen sollte, würde die Kanzlerinnenfrage auf dem Parteitag keine Rolle spielen. So äußerte er sich nach der Thüringenwahl bei Maybritt Illner. Zwar würden er, Merz, Spahn und Kuban ihre Ideen für die Zukunft der Partei vorstellen, Annegret Kramp-Karrenbauer sei jedoch auf demokratischem Wege für zwei Jahre gewählt. Dies stehe nicht in Frage. Ob er sich bei dieser Einschätzung mit seinem Parteikollegen Merz oder mit dem Vorsitzenden der Jungen Union Deutschlands, Tilmann Kuban, abgesprochen hatte? Schließlich war es Letzterer, der in der Bundesvorstandssitzung offen die Personalfrage angesprochen und die Führungsqualitäten Kramp-Karrenbauers angezweifelt hatte.

Kamp-Karrenbauer gab kürzlich bekannt, sich einer möglichen Abstimmung auf dem Parteitag nicht zu verweigern. Damit brachte sie eine die Möglichkeit zur Vertrauensfrage selbst ins Spiel. Es bleibt also abzuwarten, zu welcher Art von Showdown es schließlich auf dem Parteitag kommen wird.

Sophia Nückel ist 21 Jahre alt und studiert im Bachelor Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Praktische Erfahrungen hat sie als freie Mitarbeiterin einer Lokalzeitung sowie durch zahlreiche Praktika im politischen Bereich erworben.