Wie das Coronavirus die Wirtschaft lähmt

Abgesagte Messen, unterbrochene Lieferketten, der DAX im freien Fall: Das Coronavirus hat die deutsche Wirtschaft erreicht und sorgt für düstere Aussichten. Die Entwicklung zeigt, wie abhängig Deutschland in einer global vernetzten Weltwirtschaft ist.

Jetzt auch noch Berlin und Köln: Nachdem bereits zahlreiche große Messen wie der Mobile World Congress in Barcelona und der internationale Autosalon in Genf aufgrund der Corona-Epidemie abgesagt wurden, hat es nun auch die Tourismus-Messe ITB in Berlin und die Fitness-Messe FIBO in Köln erwischt. Zu groß war die Angst vor einer weiteren Ausbreitung der Krankheit. Schließlich werden die Veranstaltungen insgesamt von mehr als 100.000 Menschen besucht. Auch der Tourismusbranche stehen schwierige Zeiten bevor. Viele Menschen sind verunsichert und sagen Reisen in die vom Virus betroffenen Regionen ab. Die Lufthansa hat deshalb angekündigt, in den kommenden Wochen bis zu 25 Prozent der Kurz- und Mittelstreckenflüge zu streichen.

Lieferketten könnten reißen

Von China aus hat sich das Coronavirus mittlerweile über Südostasien in Europa ausgebreitet und dabei auch die deutsche Wirtschaft infiziert. Deutschland ist stark in die globalisierte Weltwirtschaft eingebunden und deshalb auch besonders von Produktionsausfällen in Fernost betroffen. Sollte die Ausnahmesituation im Osten Chinas weiter anhalten, könnten die Lieferketten vieler deutscher Unternehmen unterbrochen werden. Aufgrund der Just-in-Time-Produktion bekommen die Firmen ihr Material heutzutage meist bedarfsgerecht geliefert und haben kaum noch Lagerbestände. Wenn also in China die Fließbänder stillstehen und Schiffe nicht auslaufen, kommt es hierzulande zu Produktionsausfällen, weil Vorprodukte fehlen.

Hier zeigt sich, wie globalisiert Wertschöpfungsketten im Jahr 2020 sind. Große Unternehmen produzieren weltweit und beziehen Produktteile von unterschiedlichen Kontinenten. Vom Rohstoff bis zum Endprodukt kann ein Produkt schnell tausende Kilometer zurücklegen und in mehreren Ländern Station machen. Es ist deshalb kein Zufall, dass die ersten nachgewiesenen Corona-Infektionen in Deutschland bei Mitarbeitern des Automobilzulieferers Webasto auftraten, der wie viele deutsche Unternehmen mehrere Produktionsstandorte in China unterhält.

Export nach China gefährdet

Neben der Produktion ist auch der Export gefährdet: Aufgrund der Quarantänemaßnahmen ist in den besonders betroffenen Gebieten ein deutlicher Nachfragerückgang zu verzeichnen. Gerade der Einbruch in China trifft die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft besonders hart. Denn das Reich der Mitte ist mit einem Handelsvolumen von 205 Milliarden Euro im Jahr 2019 Deutschlands größter Handelspartner und ein wichtiger Absatzmarkt, insbesondere für die deutsche Autoindustrie. So verkauft etwa Volkswagen mittlerweile fast jedes vierte Fahrzeug nach China. Doch auch Italien, wo sich das Virus vor allem im Norden verbreitet, ist als fünftgrößter deutscher Handelspartner von Bedeutung. Deutschlands Handelsvolumen mit der besonders stark betroffenen Provinz Lombardei ist immerhin fast so groß wie das mit Japan.

Kurssturz an den Börsen

All diese Entwicklungen machen sich auch an den Börsen bemerkbar. Der DAX verlor innerhalb weniger Tage 12,4 Prozent und verzeichnete damit den stärksten Rückgang seit der Euro-Schuldenkrise im Jahr 2011. Insgesamt verloren Unternehmen weltweit durch die Corona-Krise bereits etwa fünf Billionen Dollar an Börsenwert. Zu den wenigen Gewinnern der Epidemie gehören Hersteller von Hygieneartikeln wie Mundschutzen, deren Aktien zuletzt kräftig zulegten.

Das Coronavirus beeinträchtigt zahlreiche Branchen und lähmt sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite der Volkswirtschaft. Aufgrund dieses Ausmaßes hat der Präsident des DIW Berlin, Marcel Fratzscher, bereits ein Konjunkturprogramm für betroffenen Unternehmen ins Spiel gebracht. Finanzminister Olaf Scholz sieht Deutschland dafür gut aufgestellt. Wenn die Lage einen solchen Impuls erfordere, habe die Bundesregierung die Mittel, um ein Konjunkturprogramm aufzulegen. Italien hat unterdessen bereits angekündigt ein entsprechendes Hilfspaket in Höhe von 3,6 Milliarden Euro zu schnüren.

Deutschlands Abhängigkeit in der globalen Wirtschaft

Die Corona-Epidemie zeigt einmal mehr, wie abhängig Deutschland in einer globalen Weltwirtschaft von seinen Handelspartnern ist. Der Handelsstreit zwischen China und den USA hat der deutschen Wirtschaft bereits zugesetzt. Nun kommt das Virus hinzu. Globale Wertschöpfungsketten erstrecken sich im 21. Jahrhundert über zahlreiche Länder und Kontinente, Produkte werden in die ganze Welt exportiert. Dieses System hat für viel Wohlstand gesorgt, ist aber auch verwundbar gegenüber externen Störungen. Denn durch die globale Vernetzung stehen viele Exportwirtschaften in wechselseitiger Abhängigkeit. Fällt ein Dominostein, können auch die anderen kippen. Das gilt gerade für die deutsche Wirtschaft, die aufgrund ihrer Internationalisierung wie kaum eine zweite auf einen störungsfreien Welthandel angewiesen ist.

Niemand kann zurzeit vorhersagen, wie groß der wirtschaftliche Schaden für Deutschland und die Weltwirtschaft durch das Coronavirus ausfallen wird, da dies stark von der weiteren Ausbreitung und der Dauer der Epidemie abhängt. Sicher ist jedoch: die deutsche Wirtschaft ist angeschlagen und wird erst wieder genesen, wenn die Krankheit unter Kontrolle ist.

Jonas Sterzenbach studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Erfurt und Vilnius und ist seit 2017 Masterstudent an der NRW School of Governance. Praktische Erfahrungen sammelte er unter anderem bei Praktika im Deutschen Bundestag und einer Politikberatung sowie bei seiner Werkstudententätigkeit für einen Wirtschaftsverband.